Was für ein Theater – seit 70 Jahren

Artikel in der Mindelheimer Zeitung vom 20. Februar 2016 von Ulla Gutmann

 

 

 

Neue und alte Hasen: (von links) Vorsitzender Tobias Dannhart), Josef Räuschle (60 Jahre beim Verein), Gerhard Reichle (45), Ida Räuschle (70), Zweite Vorsitzende Maria Welser und Wendelin Kriener (60 Jahre beim Verein)

 

 

Das gerahmte Bild im Nebenzimmer des Kirchheimer Gasthof Adlers zeigt die Mitglieder des Theatervereins bei
ihrem Ausflug nach St. Christoph-Arlberg im Jahr 1952.

Jubiläum in Kirchheim

Die Kirchheimer Schauspieler feiern Geburtstag und blicken schmunzelnd zurück

Die Liebesszenen hat man früher ganz anders gespielt. Erst bei der letzten Generalprobe tauschte man ein scheues Küsschen aus. Dagegen rauchten die Schauspieler echte Zigaretten auf der Bühne und tranken auch echten Alkohol. Von früher konnten sie viel erzählen, die Jubilare und Ehrenmitglieder des Kirchheimer Theatervereines. Sie waren im „Vereinszimmer“ im Nebenraum des Gasthofes Adler zusammengekommen, genau wie vor 70 Jahren, als dort Josef Räuschle senior zusammen mit 35 Gleichgesinnten den Theaterverein „Harmonie“ gründete. Er wurde Vorsitzender, seine Tochter Ida einen Tag später aufgenommen. Ihr Bruder Josef Räuschle ist seit 65 Jahren dabei, Wendelin Kriener seit 60 Jahren und Gerhard Reichle seit 45 Jahren.

„Getragen wird der Verein seit dem Bestehen von vier Kirchheimer Familien,“ erzählt Tobias Dannhart, der heutige Vorsitzende des Theatervereins. Nämlich von der schon erwähnten Familie Räuschle sowie von Familie Striebel, Familie Reichle und Familie Dannhart. Der Großvater von Tobias Dannhart war bereits beim Verein und auch Onkel und Tanten von ihm. Nur vier Vorstände gab es in den vergangenen 70 Jahren.

Doch nicht alles ist so beständig. „Heute werden ganz andere Ansprüche an ein Theaterstück gestellt wie früher,“ so Tobias Dannhart. „Die Leute sind verwöhnt von den Medien, die Technik hat sich weiterentwickelt, und auch die Theaterspieler selbst setzen sich hohe Maßstäbe.“ So wird über Monate an einem Stück geprobt, zuerst nur das Sprechen des Textes, dann auf der Bühne, die Szenen wieder und wieder bis sie in Fleisch und Blut übergegangen sind und praktisch automatisch ablaufen.

„Früher hat man zur Gaudi Theater gespielt,“ meint Josef Räuschle. „Zweimal die Woche wurde geprobt, auch damit man aus dem Haus kam.“ Im Gründungsjahr spielten sie das Stück „s’Lieserl“, ein oberbayerisches Lustspiel. Die Frage, wie das mit dem Oberbayerischen Dialekt geklappt hat, beantwortet Josef Räuschle schmunzelnd: „Versucht haben wir es schon. Und die Leut’ haben nichts gemerkt. Damals ist man nicht herumgekommen und hat deshalb auch nicht so genau gewusst, wie das klingt, der oberbayerische Dialekt.“ Trotzdem bevorzugte der Verein ab 1998 Boulevard-Komödien in hochdeutscher Sprache.

Und damit man nicht nur zu den Proben mal aus dem Haus kommt, unternimmt der Verein jährlich einen Ausflug. An der Wand hängt ein gerahmtes Foto, das die Vereinsmitglieder zeigt, beim Ausflug nach St. Christoph-Arlberg. Dort waren sie am 13. und 14. Juli 1952. Anfangs machten sie einen Tagesausflug, aber ab 1946 verreiste der Verein jedes Jahr für zwei Tage, bis heute. 1952 waren sie im Schwarzwald, erinnerte sich Wendelin Kriener, „Damals war das ein besonderes Ereignis, da ist man nicht so oft verreist wie heute.“

Seit 1946 gab es auch eine vereinseigene Musikkapelle. 1948 wurde das Stück „Der Freischütz“ aufgeführt, die Musikkapelle war zu dieser Zeit ein richtiges Orchester mit etwa 60 Musikern. Etwas wehmütig wird da Tobias Dannhart, denn heutzutage kann der Verein von solchen Mitgliederzahlen nur träumen. „Neue Mitglieder sind herzlich willkommen!“ sagt er, „Wir brauchen Leute, nicht nur als Schauspieler, sonder auch zum Bühnenbau, für die Technik und es gibt viele weitere Bereiche, in die sich jeder nach seinen Fähigkeiten einbringen kann.“

Beim Stichwort Technik berichteten die Vereinsmitglieder, wie früher noch im sogenannten „Krähennest“, einem winzigen Kämmerchen neben der Bühne, von Hand der Vorhang bewegt wurde und Geräusche gemacht wurden, etwa schepperndes Metall, Rasseln und vieles mehr. Kompliziertere Geräusche nahm man mit dem Kassettenrekorder auf. Heute haben sie eine moderne Anlage, die Tobias Dannhart stolz zeigt. „Einmal haben wir die Geräusche zu einem Verkehrsunfall aufgenommen,“ erzählt Wendelin Kriener. „Die Geräusche mussten mehrfach wiederholt werden, bis es gepasst hat, bei uns im Hof. Das war dann so laut und so realistisch, dass die Polizei angerückt ist und nach dem Rechten sah.“

Auch das neue Stück könnte die Ordnungshüter interessieren: In „Die Nervensäge“ soll ein Profikiller einen Mafioso umbringen, doch natürlich kommt in der rasanten Komödie einiges dazwischen.

Premiere ist am Samstag, 27. Februar, um 19.30 Uhr im Adlersaal. Danach ist das Stück jeweils um 19.30 Uhr am Freitag und Samstag, 4. und 5. März, und am 11. und 12. März zu sehen. Karten gibt es bei der Mindelheimer Zeitung oder unter der Vereinshotline 0176/44747444 (erreichbar samstags von 10 bis 14 Uhr und sonntags von 14 bis 16 Uhr).

Mehr Informationen gibt es unter www.theaterverein-kirchheim.de.